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Ärztehaus im neuen Gewand

Ab Ende Oktober beginnen die Sanierungsarbeiten an einem der markantesten Gebäude der Stadt Münzenberg, am Ärztehaus. In diesem Zusammenhang wurde die Fassade ringsum mit einem Gerüst umbaut und mit grünem Schutznetz abgehängt. Zeitgleich mit den Dachdeckerarbeiten wird das Gebäude mit einem Außenputz versehen werden. Bürgermeisterin Dr. Isabell Tammer rechnet in diesem Zusammenhang mit kritischen bis bestürzten Reaktionen aus der Bevölkerung. „Was ich gut verstehe, denn mir ging es nicht anders, als die Pläne auf dem Tisch lagen“.

Das historische Ärztehaus ist eines der bekanntesten Gebäude im Münzenberger Steinweg. Dieser gehört zu den schönsten Straßen im weiten Umkreis. Die den Steinweg prägenden charakteristischen Häuser und Hofreiten mit ihrem offenen Fachwerk begeistern Besucher und sind den Münzenbergerinnen und Münzenbergern als vertrautes Heimatbild ans Herz gewachsen. Liebevoll und sachkundig restauriert steht der Steinweg zusammen mit dem gesamten Altstadtbereich unter der höchsten Denkmalstufe der unteren Denkmalschutzbehörde des Wetteraukreises. Bei allen in diesem Bereich notwendigen Sanierungs- und Renovierungsarbeiten sind die Fachleute der Friedberger Denkmalschutzbehörde verpflichtend eingebunden. Sie sorgen mit ihrem Fachwissen dafür, dass Gebäude und Gesamteindruck so nah am historischen Originalzustand bleiben wie möglich. Dies kann dazu führen, dass sich Häuser nach Abschluss von Renovierungsmaßnahmen plötzlich mit einem massiv veränderten Äußeren präsentieren.

Dieser Fall tritt nun just beim Ärztehaus ein, einem der markantesten Gebäude im Steinweg. Bauhistorische Erkenntnisse der Denkmalschutzbehörde ergaben, dass bei der letzten Außenrenovierung vor über 40 Jahren die Freilegung des Fachwerks fälschlicherweise erfolgte. Ganz deutlich sind am gesamten Fachwerk regelmäßige Einkerbungen zu sehen, ein eindeutiger Beleg dafür, dass es sich hier nicht um Standardfachwerk handelt, sondern um sogenanntes „Baufachwerk“. Während Standardfachwerk für einen offenen Einsatz gedacht war, nutzte man Baufachwerk bei Häusern, die verputzt werden sollten, damit der Putz auf dem Fachwerk besser hält.

Und hier kommt die Baugeschichte des Ärztehaues ins Spiel: Aus Kostengründen in Fachwerkbauweise erstellt, sollte der Bau durch seinen entsprechenden Grundriss den Charakter einer noblen – und selbstverständlich verputzten – typischen Stadtvilla des 19. Jahrhunderts ausstrahlen. Das brachte mondänes Flair in die Burgenstadt, signalisierte Nachbarn und Passanten den Wohlstand des Eigentümers. Es gibt Aufnahmen des Hauses, die in der Tat die „Villa“ in verputztem Zustand zeigen. Daher gab es bei den nun anstehenden Außenarbeiten die strikte Anweisung der unteren Denkmalschutzbehörde: Das Fachwerk muss als Baufachwerk unter Putz, so wie es ursprünglich einmal war.

Der neue, durchaus modern wirkende Look des Ärztehauses verändert die Optik des Steinwegs. Und es wird vermutlich eine Weile dauern, bis man sich an den Anblick gewöhnt hat. Für außenstehende Fachleute ist das eine einfache Baumaßnahme, doch für die Menschen vor Ort eine große Veränderung. „Ich habe auch geschluckt“, gesteht Isabell Tammer. „Bewusst kenne ich das Ärztehaus nur mit offenem Fachwerk, so passt es ja auch aus unserer heutigen Sicht optisch nahtlos perfekt in den Steinweg…“.

 

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