Veröffentlichungen

Zeugen gegen das Vergessen

Alte Synagogen sind stumme Zeugen verlorenen jüdischen Lebens in Deutschland – auch in Münzenberg (Am Junkernhof 14) und in Gambach (Hauptstraße 6). Die offizielle Gedenkfeier, die anlässlich der Pogromnacht alljährlich in dem Kulturhaus Alte Synagoge veranstaltet wird, muss in diesem Jahr Pandemie-bedingt ausfallen.

Was nicht heißt, dass die Ereignisse von damals vergessen sind.

Während des Novemberpogroms 1938 spielten sich auch in Münzenberg und Gambach furchtbare Szenen ab. So zerstörten Nazianhänger unter dem Beifall der anwesenden Bevölkerung die Inneneinrichtung beider Synagogen. Sie plünderten das Kolonialwarengeschäft der Familie Katz und das Geschäft Stern, die von den gleichnamigen jüdischen Familien in Münzenberg betrieben wurden.

1933 lebten noch 27 jüdische Mitbürger in Münzenberg und 56 in Gambach. In den folgenden Jahren wanderten die meisten von ihnen auf Grund der Folgen des wirtschaftlichen Boykotts, der zunehmenden Entrechtung und der Repressalien aus. 1939 wurden insgesamt 58 jüdische Einwohner in beiden Orten (Münzenberg 17, Gambach 41) gezählt, zum 31. Dezember 1940 noch 39 (Münzenberg 16, Gambach 23). Die letzten jüdischen Einwohner wurden 1942 aus Münzenberg und Gambach deportiert.

„Ich schäme mich dafür. Keiner von uns war damals dabei. Doch die Verpflichtung, die uns dieses Erbe abverlangt, bleibt,“ so Bürgermeisterin Dr. Isabell Tammer anlässlich des Gedenktages. Die Täter von einst leben fast alle nicht mehr. Persönliche Schuld haben die Nachgeborenen nicht. Doch ist Rathaus-Chefin Tammer überzeugt: „Wir stehen in der Verantwortung. Verantwortung gegenüber der Geschichte unserer Nation. Die Erinnerung an die damaligen Gräuel darf niemals aufhören. Wir dürfen nicht wegschauen, wenn Juden in welcher Form auch immer angegriffen werden. Wir sind verpflichtet, antijüdischen Vorurteilen zu widersprechen und antijüdischen Angriffen zu widerstehen. Das ist eine Bürgerpflicht, die Pflicht eines jeden aufrechten Demokraten“.

Rechtspopulisten und Rechtsextremisten testen mit immer neuen Provokationen, wie weit sie heute gehen können. Antisemitismus ist kein Phänomen von gestern. Ausländerfeindliche Parolen, Vorurteile und Intoleranz sind wieder auf dem Vormarsch. „Dagegen müssen wir mit aller Kraft ankämpfen und dürfen nicht schweigend den Kopf wegdrehen. Schwache müssen wir schützen und für die Demokratie eintreten, sie stärken“, betont Dr. Isabell Tammer.

82 Jahre nach der Reichspogromnacht, die das Vorzeichen der bald darauf beginnenden Shoah war, sind die Menora mit ihren neun am bevorstehenden Chanukkafest leuchtenden Kerzen und der leuchtende „Magen David“ (Davidstern) ein sichtbares Zeichen: Licht vertreibt die Dunkelheit, Demokratie und Freiheit besiegen Tyrannei und Unrecht – das Licht der Menora als sichtbares Zeichen des Lichts der Torah strahlt in Berlin, in Hessen und auch bei uns in der Wetterau. Dieses Licht der Versöhnung verändert das ganze Land zum Positiven.

Der 09. November erinnert an alle jene, die unter dem Naziterror zu leiden hatten. An Männer, Frauen und Kinder, die unermessliches Leid erfuhren. An Menschen, die Angehörige und Freunde, ihr Hab und Gut verloren haben und aus ihrer Heimat vertrieben wurden oder ihr Leben in Konzentrationslagern, auf Hungermärschen und in Gaskammern verloren.

Bürgermeisterin Dr. Isabell Tammer: „In Münzenberg gedenken wir heute ganz besonders der Menschen mosaischen Glaubens aus unserer Mitte, die dem Naziterror zum Opfer fielen“.

 

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